Mein theuerster.
Ich weiß es daß sie der freundschaftlichste Mensch sind, und nichts weniger nöthig ist als daß ich Ihnen den Hrn. Hugo, den neuen franz. Prediger von Frankfurt, in ihre Clientel empfehle. Aber Hr. Hauptmann Corrodi hat geglaubt, daß Ihm ein paar Zeilen von mir wolthun mögen, und mich so sehr darum gebeten daß ich sie ihm nicht abgeschlagen habe.
[→]Hätte ich mehr Zeit gehabt, so wäre in das päkgen noch Ihr portrait von dem grossen Künstler zu Rikenbach und ein original von Callot, der übergang durch das rothe Meer, gekommen, welche Hr. Kammerer Wirz Ihnen bestimmt hat.
Mich verlanget so sehr nach ihren Anstalten wegen des Noah oder der Noachide, des Todes der Ersten Erschaffenen, und des Marcus Brutus, daß ich Ihnen bald das unrecht thäte zu fürchten, es möchte sie beleidiget haben, daß ich so viel mißtrauen in Ihre Hexameter gesezet habe. Doch ich habe desto mehr glauben in ihre Erinnerungen über die Mängel in dem plan und der ausbildung. Ich hoffe sie verlassen obige werke, alle dergl. Mängel betreffend, noch nicht.
Hr. Reich hat unsern buchhändlern geschrieben, daß der Julius Cäsar vergriffen sey; und der Marcus Brutus ist mit Absicht auf die poesie wie auf die person ein grösserer Mann als Cäsar.
Befreyen sie mich so oft es möglich ist aus der unruhe, die ihr stillschweigen mir verursacht.
Unsere Gemüthsfassungen, in welche Ihre Entschliessung des Königs zu seyn, uns gesezet habe, wissen sie aus briefen, die ich Wyssen und Rahnen an Sie gegeben habe. Hr. schuldheiß ist der betrübteste. Hr. Rektor der philosophiste, Hr. Waser Hr. Breitinger die geduldigsten. Es hat Hn Rector schier verdrossen, daß sie ihm zuvor von ihrem Entschluß ins Vaterland zu kommen, ein geheimniß gemachet.
Ich bin vollkommen der meinung daß die Jgfr. Meisterinn die rechte person für ihre liebsten Töchter sey. Sie ist sehr gutmüthig, sehr verständig, geistreich, polit. Man sieht ihr nichts schlechtes, nichts bürgerliches an; sie liest jedes französische Buch, ohne daß sie sich für ein bel Esprit halte. Sie hat die weiblichen Arbeiten, der lectur nicht aufopfern können, wie die Bondeli, und die Cruchot gethan haben. Ich habe mit ihr persönlich über dise sache gesprochen, wir möchten aber doch gern wissen, zu was für absonderlichen geschäften sie gebraucht werden solle. Sie glauben gern, daß ihr die Hofetiquette bey vornehmem Besuch und Aufwart nicht kann angewöhnt seyn, ich bin doch versichert, daß ihr auch dieses bald geläuftig seyn würde. Es kostet sie Mühe sich von ihrer alten Mutter, wie wol sie nur stiefmutter ist, looszureissen – aber Sulzer muß sich auch von seinen Freunden loosreissen. Sie würde sich Ihnen widmen.
Der Canton Schwyz fasset auf seinen Landsgemeinden seltsame Entschliessungen gegen den marechal Reding und andere landsleute die in französischen Diensten stehen. Die geschichte davon hat für Höfe viel burlesques; dise leute sind in der that auch sehr alarmirt. Man hat sie glauben gemacht, die neue capitulation vermöge sie müssen eine miliz für Frankreich aufrichten, von welcher jedesmal, wenn der König es will, der sechste mann in seine Dienste ausgezogen werden müsse. Uri ist ein wenig geschlachter.
Wir sind mit der Formation beynahe zu Ende, Bern hat uns noch immer aufgehalten.
Man hat in Bern acht oder mehr alte Herren durch grosse summen vermocht, daß sie resignirten, damit die Anzahl des großen Rathes so tief herabkomme, daß man eine Regimentsbesazung vornehmen muß.
Vergessen sie nicht unsern Hn sekelmeister Orell das [→]Geschenk von dem Prinzen von Würteberg zu notificiren, und legen in seinen Brief auch einige Zeilen für
ihren Ergebensten Diener
Bo.
den 14 April 1764.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13a.
Vermerk Sulzers am oberen Rand der ersten Seite: »14 Apr. 64.«