Brief vom 9. August 1762, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Basel
Datum: 9. August 1762

Basel den Aug. 1762.

Mein werthester Freünd.

Ich bin heüte nach einer ziemlich beschweerlichen Reise über Straßburg hier angekommen und zähle nun alle Augenblike, die mich noch von Ihnen entfernt halten. Doch finde ich für nöthig mich wenigstens acht Tage hier aufzuhalten. Mein Plan ist so gemacht, daß ich bis auf Ostern in meinem Vaterland bleiben und mich noch recht mit meinen Freünden ablezen will. Aber ich bin noch unentschloßen, ob ich von hier über Schaffhausen nach Winterthur oder über Baden nach Zürich gehen soll. Hätte ich einige Tage eher können herkommen, so hätte ich das erstere gewählt, weil ich die Hoffnung gehabt hätte, Sie dort zu finden. Ihren lezten Brief habe ich in Frankfurth am Mayn bekommen. Das Wienerische Epigramme ist nur alzu prophetisch gewesen. Was für eine schlimme Verändrung? Doch schreibt man mir aus Berlin, daß man wieder beruhiget sey.

In Leipzig habe ich den Gellius, den Verfaßer der Critik gegen die Literatoren nicht können zu sehen bekommen. Er war auf dem Land, hingegen habe ich Weisen ofte gesprochen. Er ist ein gutes Kind, von sehr großem Fleis aber schwachem Geschmak. Von allen diesen Dingen wollen wir uns bald satt plaudern. Ihren Brief an Klopst. habe ich über Braunschweig nach Hamburg bestellen laßen.

Sollte ich mich entschließen gerade auf Zürich zu gehen, so werde ich im Schwerdt abtreten, und hernach Anstallt machen, bey meinem Neveu Brunner ein Logis zu nehmen. In acht oder zehen Tagen hoffe ich das Vergnügen zuhaben, Sie zu umarmen. Denn wenn ich auch nach Winterthur gehe, so hoffe ich, daß Sie dahin kommen werden. Der Himmel laße unsre Zusamenkunft vergnügt seyn. Ich verbleibe

Ihr getreüster Dr
JGSulzer.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.

Anschrift

à Monsieur Bodmer Professeur très celèbre à Zurich.

Vermerke und Zusätze

Zwei Siegel.

Stellenkommentar

schreibt man mir
Nicht ermittelt.
den Gellius
J. G. Gellius, Anmerkungen zum Gebrauche deutscher Kunstrichter, 1762. Zu Johann Gottfried Gellius und Sulzer vgl. Kittelmann Epistolare Szenen einer Freundschaft 2018, S. 136.
im Schwerdt
Gasthof »Zum Schwert«, der allerdings in den Jahren 1762–63 renoviert wurde.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann