Brief vom 11. August 1762, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Basel den 11 Aug.

Vorgestern habe ich Ihnen, mein werthester Freünd, meine Ankunft in Basel gemeldet, und Ihnen zu gleich berichtet, daß ich in Acht Tagen von hier nach Zürich oder Winterthur abzugehen gedenke. Jezo aber muß ich Ihnen Nachricht geben, daß ich mich entschloßen habe von hier auf Bern zu gehen, weil ich doch wol sehe, daß ich dieser Reise nicht überhoben seyn kann, da mich einige gute Freünde daselbst so sehr zu sich nöthigen. Ich werde künftigen Mittwoch den 17 von hier dahin abgehen und also nicht eher, als zu Ende des Augusts oder anfangs des Septembers bey Ihnen eintreffen. Sollten etwa Briefe für mich bey Ihnen einlauffen, so ersuche ich Sie mir dieselben durch den Hrn. Dir. Schulthess nach Bern zu schiken. Ich werde sie bey seine Hrn. Schwiegersohn abholen. Ich bin in nicht geringer Unruhe über die neüe Wendung, welche die Verändrungen in Rußland, den öffentlichen Angelegenheiten geben werden, zu mal da ich noch keine Briefe von Berlin bekommen, darin die Lage der Dinge beschrieben wären.

Den Hrn. Rathschreiber Iseli habe nur auf einen Augenblik gesprochen, weil wir uns verfehlt haben. Aber dieser Augenblik zeiget mir schon, daß er weder in seinem Geschmak noch in seiner Philosophie die höchste Reiffe oder Stärke erlangt hat. Ich habe einen sehr gelehrten noch ganz jungen Menschen aus dem pais de Vaud, Hr. Schmidt hier kennen gelernt, der das Bürgerrecht in Basel annehmen wird. [→]Aus Geneve schreibt man mir, daß Rousseau izt in St. Aubin ist und daß Myl. Marschall ihn zu sich eingeladen habe. Ich hoffe, daß er eine Freystatt daselbst finden werde. Die hiesige Gelehrte scheinen wenig aus ihm zu machen. In Geneve ist ein gewißer Pictet eingezogen, der den Arrêt du Conseil gegen Rousseau und sein Buch angegriffen hat. Ich denke von Rousseau wie von Peter dem III. Man läßt ihm nicht Gerechtigkeit genug wiederfahren. Es ist würklich ein Unglük in seiner Art zu denken weit über das Gemeine erhoben zu seyn, insonderheit wenn dieses in solchen Sachen geschieht, wovon ein jeder glaubt urtheilen zu können. Wie sehr verlangt mich nach den glüklichen Stunden, da ich mit Ihnen nach Herzenslust über solche Sachen werde reden können?

Leben Sie indeßen wol. S.