Brief vom 16. Oktober 1751, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 16. Oktober 1751

Mein werther Hr. und Freünd.

Ich muß Ihnen neülich in einer großen distraction geschrieben haben, da ich vergeßen den Brief über den Parcifal den Sachen beyzulegen, da ich ihn doch in dieser Absicht hervorgesucht hatte. Er ist zu groß für einen Einschluß, ich muß izt wieder auf Gelegenheit warten.

Klopstokens Schmidt ist hier, ein rechter Jüngling nach der welt; dem das jugendlich thun unendlich beßer ansteht als Klopstoken. Er scheinet nicht sehr genau von Klopstokens Lebensart in Zürich berichtet zu seyn. Er gesteht, daß dieser Dichter einen rathenden Freünd sehr nöthig gehabt hätte.

Der Bar. Bielefeld, ein ehemaliger Liebling des Königs und großer Liebhaber der Litteratur schreibt eine Apologie des Allemans, darin er eine ausführliche Nachricht von der iezigen Verfaßung Deütschlands in absicht auf die schönen Wißenschafften giebt. Er ist aber nicht stark genug, die Ehre seines Volks zu retten, auch da wo sie gerettet werden kann.

Wäre es nicht beßer daß Hr. Breitinger wie Sie, die Schreyer verachtete und mit Stillschweigen straffte. Je mehr man den Müken wehret, je ärger stechen Sie. Weder Füßli noch Heidegger sind Leüte, die dem andern das lezte wort laßen.

Ich habe von der Meße noch nichts bekommen, ohngeachtet sie nun meist zu ende ist. Haben Sie nicht Gedichte gesehen die in Frankf. am Mayn im vorigen Jahre auf 5 oder 6 Bogen in 8 Herausgekommen sind? Der autor ist mir hier bekannt worden. Es ist der Freyherr v. Creüz, der eine gute Anlage zu Hallerischer dichtart zuhaben scheinet.

Ich verharre

Ihr
ergebenster
Dr. Sulzer.

den 16 Oct. 51.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen I 1807, S. 353 (Auszug).

Anschrift

A Monsieur Le Professeur Bodmer à Zuric.

Vermerke und Zusätze

Vermerk Bodmers auf der Umschlagseite: »Tout n'a qu'un tems et un terme prescrit – Qui veut jouir de sa gloire se dit A cinquante ans serviteur de parnasse« (Zitat aus dem Journal helvétique, April 1750, S. 404. Übers.: »Alles hat nur einen Zeitpunkt und eine vorgeschriebene Frist – Wer sich seines Ruhmes erfreuen will, sagt von sich, dass er mit fünfzig Jahre Diener des Parnass ist.«) Weiterer Vermerk Bodmers darunter: »den 30 Nov. hab H Hagedorn durch die post geschrieben wegen pulci – davon er nichts berichtet hat. Abadonas seligmachung. Stokhausens Urtheil. Wielands Hermann«. – Siegel.

Stellenkommentar

ehemaliger Liebling des Königs
Jakob Friedrich von Bielefeld kannte Friedrich II. schon als Kronprinzen und hielt sich seit 1739 mit ihm in Rheinsberg auf. Nach Friedrichs Thronbesteigung wurde er u. a. 1741 Legationsrat in Berlin, 1744 Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften und 1747 Kurator aller preußischen Universitäten sowie Direktor der Berliner Charité. Bielefelds Progrès des Allemands dans les sciences, les belles-lettres & les arts, particulièrement dans la poésie & l'éloquence erschien 1751 anonym in Amsterdam.
Freyherr v. Creüz
F. K. v. Creutz, Oden und andere Gedichte, 1750.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann