Brief vom 22. August 1745, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: 22. August 1745

Mein Herr und Werthester Freund.

Von der Ostermesse habe die Briefe von Hn Hagedorn und Hn pastor Lange wohl empfangen und bin Ew. für die mühe der bestellung sehr verbunden. Der gute Willen, den sie meinen Freunden und mir bezeugen macht, daß ich fortfahren darff sie mit unsern Sachen zu beladen. Also sende ich mit disem zwey Pake an Ew. eines an den Hr. von Hagedorn das andere an den Hn pastor Lange, mit Fr. Bitte solche mit der gewöhnlichen Sorgfalt zu bestellen.

Für Ew. habe ein Exemplar freundschaftliche Lieder hinzugeleget, nebst freymüthigen Nachrichten Num. XXXI. XXXII. und etlichen Epitres de lauteur du Misodéme. Ich bitte aber die beyden Stüke Freymüthiger Nachrichten und ein paar Epitres dann weiter an Hn von Hagedorn zu verfertigen.

Wenn hingegen etwas von Hamburg, Berlin oder Laublingen eingehet, für mich, so bitte solches mit bequemer gelegenheit und der alten gefälligkeit nach der Schweiz zu befödern.

Ich hoffe aber, daß Ew. nicht allein auf dise Art helfen werden den Widersachern des guten Geschmakes durch den vorschub den sie uns thun Abbruch zu verursachen, sondern daß sie solches durch eigene Schriften und Aufsätze thun werden. Ihre geschikten schriften, die zum vorschein gekommen dienen zwar zu eben disem Ende; doch verstehe ich hier, daß Sie ex professo, einen Streifzug in die weitläuftigen ländereyen der Dummheit und ihres Statthalters des Königes Teutobok vornehmen sollten.

Ich sehe der neuen Monathschrift Hn Pastor Langen und der andern geschikten Freunde mit Verlangen entgegen. Ich wünschte aber dem Hn Gleim eine angenehmere und ruhigere Station.

Hr. Waser giebt mir von Zeit zu Zeit nachrichten von Ew. Zustand; sie glauben mir, daß ich an ihrer Wohlfarth vielen antheil nehme.

Disen Sommer Habe etliche vergnügten Tage mit Hn Künzli zu Winterthur zugebracht. Vermuthe gehe ich vor dem Herbst mit Hn landschr. Heidegger nochmahlen denselben zu besuchen. Ew. würden keine ungerade person unter uns seyn. Hat Hr Waser Ew. auch geschrieben, daß Hr. Künzli mit ihm anacreontische lieder wechselt. Sie sind aber von einem eigenen Tone. Ich glaube Hr. Gleim würde ihnen seinen beyfall nicht versagen.

In ein paar folgenden freymüthigen Nachrichten wird von Hn Pyra, von Hn Gleim mit grossem Ruhme geredet werden.

Ich habe das Vergnügen mit beständiger Freundschaft zu verbleiben

Ihr Ergebenster
Joh. Jacob Bodmer

Zürich den 22 Augstm. 1745

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13a.

Anschrift

Monsieur Soulzer de Winterthur en Suisse. Ministre du St. Evangile; presentement dans la maison de Monsr. Bachmann Marchand tres-renommé à Magdebourg avec un paquet contenant des livres.

Einschluss und mit gleicher Sendung

Briefe an S. G. Lange und F. v. Hagedorn. – Ein Exemplar von [S. G. Lange, I. J. Pyra], Freundschaftliche Lieder. – Freymüthige Nachrichten, 1745, St. 31 u. 32. – Epistel von S. Henzi.

Eigenhändige Korrekturen

Sie ex professo, einen Streifzug
Sie einen ex professo, einen Streifzug

Stellenkommentar

Briefe von Hn Hagedorn und Hn pastor Lange
Langes Brief vom 26. Mai 1745 (ZB, Ms Bodmer 4.2) und Friedrich von Hagedorns Schreiben vom 17. Mai 1745 (Hagedorn Briefe 1997, Bd. 1, S. 155 f.).
Statthalters des Königes Teutobok
Gottsched wurde mit zahlreichen Spottnamen, darunter auch »Teutoboch« oder »Teutobok« ausgestattet. Dahinter verbirgt sich vermutlich eine Anspielung auf einen gleichnamigen Häuptling der Teutonen, der um das Jahr 100 v. Chr. mehrfach in kriegerische Auseinandersetzung mit den Römern involviert war. Lange schrieb in einem Brief an Bodmer vom 5. September 1746 über Gottsched, den er in seiner Ode Der Gegen-Parnaß persiflierte: »er ist auf dem Antiparnaß unter dem Namen Teutoboch angeführt.« (ZB, Ms Bodmer 4.2).
Waser giebt mir von Zeit zu Zeit nachrichten
Aus dieser Zeit sind keine Briefe Johann Heinrich Wasers an Bodmer überliefert. Die Überlieferung setzt erst mit einem Brief vom 30. August 1747 ein.
Hn landschr. Heidegger
Johann Conrad Heidegger, 1710 in Zürich geboren, hatte in Lausanne und Neuenburg ein Studium der neuen Sprachen absolviert. Nach einem Aufenthalt in Berlin trat Heidegger in die Zürcher Staatskanzlei ein und war als Landschreiber in Weiningen tätig. 1741 startete er seine politische Karriere im Großen Rat von Zürich. 1768 wurde er Bürgermeister, nachdem er im Toggenburger Handel seine diplomatischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt hatte. Diese setzte er auch 1777 im Abschluss des Bündnisses zwischen Frankreich und der Eidgenossenschaft ein. Heidegger zählt zu den bedeutenden eidgenössischen Staatsmännern des 18. Jahrhunderts. Zudem wirkte er u. a. federführend bei der Zürcher Schulreform und in der Physikalischen Gesellschaft, die er 1746 mitbegründet hatte. Vgl. Lassner Hans Conrad Heidegger 2007.
Hr. Künzli
Martin Künzli. 1709 als viertes von zwölf Kindern des Malers Hans Georg Künzli und dessen Frau Regula Hegner in Winterthur geboren, wurde Künzli nach einem Studium in Zürich und Herborn 1728 examiniert. Anschließend hielt er sich als Hauslehrer und Erzieher in Italien auf. Ab den 1740er Jahren wohnte er dauerhaft in Winterthur. 1749 erhielt er die Stelle eines Mittagspredigers an der Kirche St. Georg und 1750 wurde er Provisor (ab 1760 auch Rektor) der Stadtschule. Nicht zuletzt deshalb wird er in den Briefen oft als »Hr. Provisor« oder »Hr. Rektor« bezeichnet. Künzli war zeitlebens schriftstellerisch aktiv, arbeitete u. a. an den von Bodmer herausgegebenen Freymüthigen Nachrichten mit und lieferte Aufsätze für die ebenfalls von Bodmer besorgten Neuen Critischen Briefe. Die Freundschaft mit Sulzer rührte vermutlich von der verwandtschaftlichen Verbindung der beiden Männer her (vgl. L. Hirzel, Martin Künzlis Leben und Schriften, 1891, S. 14). Sulzers Mutter Elsbetha war eine geborene Künzli. Zu den gemeinsamen engen Winterthurer Freunden Sulzers und Künzlis zählten insbesondere Johann Heinrich Waser und Johannes Sulzer. 1752 machte Künzli eine größere Reise durch Europa, wo er neben Sulzer in Berlin auch Frankreich und Holland besuchte. Die Korrespondenz zwischen Sulzer und Künzli ist in Teilen (41 Briefe Sulzers, zwei Briefe Künzlis) in Winterthur überliefert (SWB, Ms BRH 512/71–74).
In ein paar folgenden freymüthigen Nachrichten
J. W. L. Gleims anonym erschienener Beitrag über den »vorm Jahr verstorbene[n] Pyra«. In: Freymüthige Nachrichten, 1. September 1745, St. 35, S. 273–275.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann