Brief vom 5. Dezember 1750, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 5. Dezember 1750

den 5 Decemb.

Mein werthester Hr. u. Fr.

Ich habe zwahr jezo keine Zeit Ihnen auf ihr werthestes Schreiben ausführlich zu sagen, was ich denke, indem mir meine nahe Abreise nach Magdeburg, und die den 18 dies vorzunehmende Verändrung viele kleine Geschäffte machen, ich wollte Ihnen aber doch selbst sagen, daß ich ihr Schreiben bekommen habe. Klopstoks Aufführung befremdet mich nicht gar sehr. Ich habe ihm, seit dem ich ihn kennen gelernt, etwas von solcher Aufführung zugetraut. Seine künftige Aufführung wird meinem Vermuthen nach, ihre Rechtfertigung seyn. Er wird noch nicht aufhören solche Proben seines Stolzes zu geben, und ich vermuthe insonderheit, daß er mit seinem Verleger anlauffen wird, der ein grober Man ist, und schon lange sich sehr über den Poeten beklagt hat.

Was für ein verächtlich Ding ist doch ein großer Geist ohne Sitten, und wie schäzbar ist ein gereinigtes Herz, da es so wenige sind. Ich beklage Sie herzlich, mein werther Freünd, daß sie für ihre Freündschafft so übel bezalt werden. Aber ich hoffe, daß der Verfolg sie genug rechtfertigen wird.

Ich habe von Klopstoks Seite nichts erfahren, als daß er an Schmidt geschrieben, seine Freündschafft mit Rahnen habe etwas von einem Wunder Werk. Sollte Klopstok wol gar ein Fantaste seyn. Ich bin geneigt es zu glauben.

Vergeßen Sie doch ja die Abschrifften vom Noah und ihr Portrait nicht, ich warte mit großer Ungeduld auf beyde. Für den Seegen, den Sie mir und meiner liebsten Freündin heimlich zugetheilt bin ich Ihnen sehr verbunden. Ich hoffe ihr das Vergnügen noch machen können, Sie zu sehen, welches sie recht sehr wünschet.

Sie werden aus den Zeitungen vernommen haben, daß Arnaud seinen Abschied hat. Voltaire, dem sich der junge und unwizige Dichter zur Seite sezen wollte, ist die vornehmste ursache seines Falls.

Unsre Crit. Nachrichten hören auf. Ramler wollte sie blos zur Ausbreitung des Geschmaks in der Poesie brauchen. Dies machte, daß sich die Gesellsch. zerstreüte. Mylius wird sie fortsezen.

Hr. Sak hat aufgehört sein Projekt wegen Klopst. auszuführen, so bald er von der Pension aus Dennemark gehört hat. Wie ists möglich, das Schultheß von Ihnen abfällt. Ich bitte mich Hrn. Breit. p. zu empfehlen. Ich verbl. Ihr

ergebenster Dr.
Sulzer

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen I 1807, S. 351 (Auszug).

Anschrift

A Monsieur Le Professeur Bodmer. à Zurich.

Vermerke und Zusätze

Vermerk Bodmers hinter dem Datum: »50«. – Vermerk von Hans Kaspar Schulthess, über den der Brief an Bodmer gegangen war: »Mr le chanoine Gessner, Mr le Conseiller Rahn, dememe que Mr l'Examinateur Heidegger me feront l'honeur demain apres dinè de passer la Soiree chez moy en memoire des noces de Mr le Professeur. Vous etes Monsieur trop de ses amis, & Je me flatte aussi des miens, pour ne pas me faire la meme grace. Si vos circonstances les Permettent. Si Mr le Chorherr Breitinger me veut aussi faire cette faveur. Je luy serai infiniment obligè, peutetre que votre Presence l'y engagera. Excusez ma liberté etc. etc. 16 Xbr. 1750 Votre tres Devoué G. Sch«. (Übers.: »Der Herr Kanoniker Gessner, der Herr Ratsherr Rahn, sowie der Herr Examinator Heidegger werden mir die Ehre erweisen, morgen nach dem Essen den Abend bei mir zum Gedenken an die Hochzeit des Herrn Professors zu verbringen. Sie gehören, Herr, zu sehr zu seinen Freunden – und, so schmeichle ich mir, auch zu meinen – als dass Sie mir nicht diese Freude machen würden, wenn Ihre Umstände es erlauben. Ob mir der Herr Chorherr Breitinger auch diesen Gefallen machen will. Ich wäre ihm unendlich verpflichtet, vielleicht wird ihn Ihre Anwesenheit dazu veranlassen. Entschuldigen Sie die Freiheit etc. etc. 16. Dezember 1750. Ihr ergebenster G. Sch.«).

Stellenkommentar

Verändrung
Sulzers Hochzeit mit Wilhelmine Keusenhoff, die einer Angabe Ramlers zufolge »14 000 Thaler Mitgift« (Schüddekopf (Hrsg.) Briefwechsel zwischen Gleim und Ramler 1906, Bd. 1, S. 242) in die Ehe brachte, fand schließlich am 17. Dezember 1750 in Magdeburg statt. Die Partnerschaft der beiden war ausdrücklich eine Liebes- und Neigungsehe und steht im Kontext einer aufklärerischen Beziehungsethik, die sowohl im vertraulichen Du und in gemeinsamen Interessen und Tagesabläufen als auch im empfindsamen Briefwechsel der Braut- und Eheleute zu spüren ist.
mit seinem Verleger
Carl Hermann Hemmerde.
Schmidt geschrieben
Klopstocks Brief an Johann Christoph Schmidt vom 10. Oktober 1750 (Klopstock Briefe 1979, Bd. 1, S. 141).
Unsre Crit. Nachrichten hören auf
Ramler gab hingegen Sulzer die Schuld am Ende der gemeinsamen Herausgeberschaft. Vgl. Kommentar zu Brief letter-sb-1750-04-21.html.
Mylius wird sie fortsezen
Vgl. Kommentar zu Brief letter-sb-1750-04-21.html.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann