Brief vom 31. Dezember 1749, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 31. Dezember 1749

Werthester Herr und Freünd.

Sie bekommen mit diesem Brief zugleich einige Exemplare vom Noah, so viel nämlich Überbringer Hr. Kitt hat mit nehmen können. Sie kommen ganz neü aus der Preße und sind hier noch nicht angekommen. Hr. Schultheiß wird Ihnen noch mehr Exempl. durch eine andre Gelegenheit schiken. Ich habe dem Verleger versprechen sollen, daß man diese 2 ersten Gesänge nicht wieder auflegen wolle, bis er seine 800 Exempl. verkauft habe. Ich habe ihm aber gesagt, ich könne dies nicht thun, doch dünke mich wahrscheinlich, daß er seine Exempl. wol werde verkauffen können.

Wenn es angeht, so werde ich Ihnen auch noch das erste Blatt unsrer Gel. Zeitung mit schiken, darin sie eine Probe von Hrn. Ramlers Critik sehen werden, ingleichen [→]eine Ode die von einem ungenannten in der hiesigen Zeitung gestanden hat und mich ihres durchlesens ganz würdig dünkt. Wenn es Ihnen nicht zu viel Umstände macht, so haben sie die Gütigkeit sich unsrer Zeitung ein wenig anzunehmen.

Ich weiß nicht, ob ich Ihnen in meinem vorigen schon gemeldet, daß ich neülich mit Mr. de Maupertuis eine lange Unterredung von unsren deütschen Dichtern gehabt. Er lernt nun deütsch und hat schon verschiedenes von Gellert gelesen, dem er den Titel eines bel esprit nicht abspricht. Ich habe ihm von Klopstok, Haller und Hagedorn gesprochen, und gesagt, daß ich ihm von der Messiade vielleicht eine franz. Übersezung werde geben können. Er kann sich kaum vorstellen, daß dies Gedicht dem verlohrnen Paradies könne an die Seite gesezt werden. Soviel ich aber merke wird dieses kaum was beytragen, dem König einen beßern Begriff von dem deütschen Wiz bey zu bringen. Ich sagte ihm, daß ich mich sehr wunderte, daß der König in einer Schrifft die bey der Acad. vorgelesen worden, Canizen Le Pope des allemands genennt habe, worauf er sagte Le Roi n’a jamais lu Canitz.

Mich verlangt ungemein ihr Portrait zu haben. Wenn es schon gestochen ist, so bitte Hrn. Kitt zu sagen, wo es zu haben ist. Sind unsre Winterthurer auch so nachläßig im Schreiben gegen Sie, als gegen mich? Ich habe in einem halben Jahr nichts von ihnen gesehen.

Ich habe endlich wieder eine kleine Hoffnung, das verirrte Paket noch zu bekommen, in dem ich erfahren, daß auf der Douane eine Balle Seyde seit 9 Monaten liegt, die noch nicht aufgemacht worden. Vielleicht ist es dort darin.

Ich wünsche daß sie von dem halben Seculo, das wir nun antreten noch den größern Theil überleben mögen um noch viele schöne Früchte ihrer Arbeit zusehen.

Wenn Sie keine andre Gelegenheit haben, das 3 Buch des Noah bald zu überschiken, so haben sie die Gütigkeit es zu beschneiden und an Hrn. Kitt zugeben, daß er mirs durch die Post überschike. Ich habe mich nun mit den Antediluvianischen Thoren etwas bekannter gemacht.

Ich verharre

Ihr
ergebenster Dr.
Sulzer

am Sylvestri Tag.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen I 1807, S. 349 f. (Auszug).

Anschrift

A Monsieur Bodmer Membre du Conseil souverain et Professeur à Zurich avec un paquet

Einschluss und mit gleicher Sendung

»Einige Exemplare vom Noah«.

Vermerke und Zusätze

Siegelreste.

Stellenkommentar

eine Probe von Hrn. Ramlers Critik
Ramlers gemeinsam mit Gleim verfasste Rezension in den Critischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit, 1750, Nr. 12, S. 107–109. – Nr. 13, S. 115–119. – Nr. 14, S. 122–126.
Ode [...] von einem ungenannten
Nicht ermittelt.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann