Brief vom 26. Oktober 1759, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: 26. Oktober 1759

Sie werden theuerster freund dieses eilfertige billet von einem jungen Züricher empfangen, den Sie schon kennen. Es ist Hans Conrad Vögeli, ein weißgerber gesell. Belieben sie demselben so viel geld an brauchbaren sorten zu avanzieren als er ungefehr nöthig haben mag, die Reise von da in die Schweiz zu pferde vorzunehmen. Er ist eines wakern mannes sohn und ich stehe ihnen gut dafür, daß das ausgelegte Geld auf die erste nachricht an ihren Hn Bruder in Winterthur oder wen sie belieben zu nennen, wieder erstattet werden soll. Der junge Vögeli wird sie um ihren rath bitten, auf welche sicherste Art, wegen des ⟨Armement⟩ er seine Rükreise antreten könnte. Haben sie die güte ihm mit rath und that beyzustehn. Ich werde dieses zu meinen übrigen vielen Verbindungen schreiben.

Ihre briefe vom 22 Sept. haben wir, sie sollen hingegen einen brief von mir vom 6. octob. emfpangen haben. Wir erwarten ihre schreiben nunmehr ohne schmerzen doch mit sehnsucht. [→]Celui des mes meilleurs amis est fort heureux d'etre uni à une dame aussi forte et aussi sage; voir approcher les troupes les plus barbares, voir s'enfuir tous les gens de condition, mettre en ligne de conte la foiblesse de son sexe et mille autres considerations, & demeurer non obstant en repos sans montrer aucune apprehension, est le vrai caractere d'une Heroine. Elle se fioit aparement sur la providence divine et sur la prevoiance de son roi, outre que l'amour qu'elle porte à son cher epoux ne lui permit point de s'absenter de lui. Ce seroit bien le plus grand bonheur du monde, un bonheur extraordinaire si je pouvois voir un jour dans ma cabane notre cher S. en votre compagnie, le voir façe à façe et l'entendre parler de toutes les vertus et qualités de notre r. de sa cour et de son peuple, par raport à ses affaires civiles, militaires, literaires et domestiques, et aprendre en meme tems de lui sa propre situation dans ces tems critiques, enfin mille anecdotes. Quel plaisir ne nous gouterions pas! Notre attente est peutetre vaine, mais ne laissons pas de nous en former une idée et de nous repaitre d'esperance cela flate toujours agreablement l'imagination. Il est bien vrai que K. auroit noblement figuré dans athenes, mais je le crois encore plus heureux d’etre né contemporain de notre r. et d’avoir pû sacrifier sa muse son coeur et sa vie au service d’un prince qui est le plus grand patron et protecteur des muses et qui surpasse en heroisme et prudence les plus grands heros de l’antiquité et de la modernité. F. vaut bien Athenes et toute la belle Greçe et Rome. Si javois à la place de K. jaurois aussi endossé le harnais malgré mon grand age pour la defense de mon r. comtant que le coeur supléeroit à la foiblesse de mon corps. – PHILOCLES.

Meines theuersten Freundes ergebenster
Diener B.

Z. den 26. octob. 1759.

Der [→]Autor der pucelle soll le cantique des cantiques parodiert haben.

Unser Fr. W. will Essai sur la meilleure legislation schreiben; er hat eine unvergleichliche freundin in B. gefunden. Er hat einen moralischen roman, panthea und Araspes geschrieben. Können sie ihn zu einem Titulargelehrten creieren lassen?

Unser pr. K. von W. hat ein paar gedanken auf Kl. tod, denen nur der Hexameter mangelt, so wäre es poesie. Ich denke ich will ihnen diesen Hexameter zulegen.

Man hat eine allegorische Fabel gemachet, Cathol. Glarus habe dem soldan von Armenien geschrieben, sie haben gehört, daß er ziemlichen geldmangel habe, sie bedauren ihn, und aus aufrichtiger affection zu einem so mächtigen und ihrem ältesten Freunde haben sie beschlossen ihn zu einig. Erquikung die verfallene pension nachzulassen.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.

Anschrift

A Monsieur Soulzer, professeur trés-célèbre à Berlin.

Stellenkommentar

Hans Conrad Vögeli
Vermutlich Hans Konrad Vögelin (1729–1791), der später als Landschreiber und Übersetzer tätig war.
Celui des mes meilleurs
Zellweger aus Trogen an Bodmer, 22. Oktober 1759 (ZB, Ms Bodmer 6a, Nr. 447). Übers.: »Dieser von meinen besten Freunden ist sehr glücklich, mit einer so starken und so weisen Dame verbunden zu sein; die höchst barbarischen Truppen entgegenkommen und die Menschen aller Stände flüchten zu sehen, die Schwäche ihres Geschlechts und tausend andere Betrachtungen zu berücksichtigen, und dessen ungeachtet die Ruhe zu bewahren, ohne die mindeste Ängstlichkeit zu zeigen, das ist der wahre Charakter einer Heldin. Sie vertraute offensichtlich der göttlichen Vorsehung und der Vorsichtigkeit ihres Königs, abgesehen davon, dass die Liebe zu ihrem Ehemann es ihr unmöglich machte, sich von ihm zu verabschieden. Es wäre wohl das größte Glück auf Erden, ein außerordentliches Glück, wenn ich eines Tages unseren lieben S. in Ihrer Anwesenheit in meiner Hütte sehen könnte, ihn persönlich sehen und von all den Tugenden und Eigenschaften unseres Königs, seines Hofes wie seines Volks, bezüglich seiner zivilen, militärischen, literarischen und häuslichen Angelegenheiten reden hören, zugleich von ihm seine eigenen Umstände in diesen kritischen Zeiten und endlich tausend Anekdoten erfahren. Welch Vergnügen würden wir dann nicht genießen! Unsere Erwartung ist vielleicht vergeblich, aber bilden wir uns davon unaufhörlich eine Vorstellung und sättigen uns mit Hoffnungen; das schmeichelt immer der Imagination auf angenehme Weise. Es ist wohl wahr, dass K. in Athen eine edle Figur gemacht hätte, aber ich glaube ihn doch glücklicher, als Zeitgenosse unseres Königs geboren zu sein und seine Muse, sein Herz, sein Leben einem Prinzen gewidmet zu haben, der der größte Patron und Beschützer der Musen ist und an Heroismus wie Klugheit den größten Heroen der Antike als auch der Moderne überlegen ist. F. ist wohl Athen und das gesamte schöne Griechenland und Rom wert. An der Stelle von K. hätte ich trotz meines hohen Alters um der Verteidigung meines Königs willen den Harnisch angelegt und damit gerechnet, dass das Herz der Schwachheit meines Körpers abhelfen werde. – PHILOCLES.«
Autor der pucelle soll
Voltaire, Précis de l'Ecclésiaste et du Cantique des Cantiques, 1759. Flankiert von einer kurzen Einleitung wurde hier eine versifizierte Paraphrase bzw. Übersetzung des Hoheliedes von Salomo zum Teil in Alexandrinern, zum Teil in siebensilbigen Versen wiedergegeben.
eine unvergleichliche freundin
Julie von Bondeli. Vgl. Starnes Wieland 1987, Bd. 1, S. 159.
zu einem Titulargelehrten creieren
Wielands Brief an Bodmer vom 6. September 1759. (Wieland Briefwechsel 1963, Bd. 1, S. 521. – Starnes Wieland 1987, Bd. 1, S. 160).
pr. K. von W.
Provisor Martin Künzli von Winterthur. Vgl. Künzlis Brief an Bodmer vom 8. Oktober 1759 (ZB, Ms Bodmer 3a.1, Nr. 87).

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann