Brief vom 31. Januar 1764, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 31. Januar 1764

Berlin den 31 Jenner 64.

Ich melde Ihnen, mein theürester Freünd, die Ankunft des Noah, den ich vor 3 Tagen wolbehalten empfangen habe. Er ist recht neü gebohren und seine Gegenwärtige Gestallt hat große Reizung für mich. Ich werde unverzüglich Anstallt machen, daß er der Preße bald kann übergeben werden. Weil unser Spalding vorgestern auch hier angekommen und seine Beyde schweizerische Freünde mit sich gebracht hat, so habe ich noch nicht Zeit gehabt mich mit dem Noah einzuschließen. Ich hatte angefangen einige Anmerkungen darüber zu machen, von denen, die ich Ihnen noch schiken wollte. Was ich aufgeschrieben habe, finden Sie in beyliegendem Blatt. Einige sehr kleine Verändrungen, die bisweilen den Ausdruk ins kürzere bringen, oder dem Vers nach meinem Gehör einen beßern Fall geben unterstehe ich mich zu machen, ohne Sie über alles zu fragen. Z. E.

II. Ges. vs. 7. 8. beyde gäbe ich so:

Ehrfurchts voll macht er vor ihm eine tieffe Verneigung; der Vater

50. 51.

– – – – – – – denn warffen
Seine Söhne den Leibrok ihm über die duftenden Schultern.

94.

Vollen Zweifels – Schien voll Zweifel

136.

so reicht er mit seinem Haupte, – so reicht seine höhere Stirne

Und andre von dieser Art, über die ich mir ihren Beyfall verspreche.

Sie werden vermuthlich Morgen oder den nächsten Posttag einen Brief von wichtigem Inhalt von mir bekommen. Ich bitte mir bald eine Antwort darauf aus. In 4 Wochen werden Lavater und Heß und in 6 Wochen wird Füßli von hier abgehen. Ich aber werde alsdenn anstallt machen, auf das Land zu ziehen und an meinem Werk zu arbeiten. Ich umarme Sie. Spalding und die ganze Gesellschaft empfehlen sich.

Adieu.
S.

Ich habe mein Paket wieder geöfnet um Ihnen noch sagen zu können, daß ich eben izt ihren Brief vom 21 Jan. bekommen habe. O! Wie voll ist er von Freündschaft! Ein Theil davon ist durch mein vorhergehendes Schreiben, das Sie Morgen bekommen müßen beantwortet. Laßen Sie sich das Stillschweigen, bis auf einen gewißen Grad empfohlen seyn. Vielleicht reden wir laut, wenn noch ein Jahr wird vorbey seyn. Füßli kann Ihnen ihre Fragen, die mich betreffen nicht beantworten. [→]Il est autant depaisé que les autres. Auch mancher andrer, mit dem ich täglich umgehe, weiß nicht was er davon denken soll.

Adieu.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.

Anschrift

Herrn Profeßor Bodmer in Zürich.

Einschluss und mit gleicher Sendung

Handschriftliche Anmerkungen zum Manuskript der Noachide.

Vermerke und Zusätze

Vermerk Bodmers auf der ersten Seite beim Vers »eine tieffe«: »eine die übliche/die tiefste«. – »Vater« von Bodmer unterstrichen. Über »Vater« eingefügt: »Anherr«. – Blatt an Siegelstelle abgeschnitten.

Eigenhändige Korrekturen

Art, über die
Art, vonüber⌉ die

Stellenkommentar

vorgestern auch hier angekommen
Vgl. Brief letter-sb-1764-01-21.html.
beyliegendem Blatt
Nicht ermittelt.
II. Ges. vs. 7. 8.
Bodmer übernahm den Vorschlag Sulzers, beide Verse zusammenzufügen, änderte allerdings den Vers in: »Ehrfurchtsvoll macht er vor ihm die tiefste Verneigung: der Anherr« (J. J. Bodmer, Die Noachide, 1765, S. 39).
50. 51.
Vgl. ebd. S. 41.
94.
Die entsprechende Stelle fehlt in der Druckfassung.
136.
Die Druckfassung lautet an der Stelle: »so reichte die Höhe der Stirne« (ebd. S. 44).
einen Brief von wichtigem Inhalt
Sulzers voriger Brief vom 21. Januar (Brief letter-sb-1764-01-21.html), in dem er über eine mögliche Rückkehr in die Schweiz schreibt.
ihre Fragen
Vermutlich in einem Brief Bodmers an Johann Heinrich Füssli vom Januar 1764, nicht ermittelt.
Il est autant
Übers.: »Er ist hier so verloren wie die anderen.«

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann