Winterthur den 13 Sept.
Sie würden Sich allerdings innigst ergezt haben, mein theürester Freünd, wenn Sie ein Zeüge der ersten Umarmungen gewesen wären, die auf meine Ankunft in Waßerstorff erfolgt sind. Ich müßte stolz werden, wenn ich nicht einen Hüter in dem innern hätte, der mich ohne aufhören, meiner eigenen Nichtigkeit erinnerte. Ich lebe goldene Tage hier und muß mich selbst täglich erinnern, daß ich nicht blos zum ZeitVertreib und zum Vergnügen hier sey, sonst würden mir die Tage und Monate unvermerkt unter den Füßen weg glitschen. Noch habe ich den Tag nicht bestimmen können, da ich zu Philokles reisen will; der Hr. Schultheiß Sulzer wollte mit reisen und ich muß seine Muße erwarten. Vielleicht geschieht es auf künftigen Sonabend. Kan ich nicht hoffen, daß Sie uns dahin begleiten werden, da das Wetter jezo so sehr angenehm ist? Ich sehe doch wol vor, daß ich noch 14 Tage werde hier seyn müßen. Meine hiesigen Freünde wollen gegen meine Entschließung den Winter in Zürich zu zubringen protestiren. Noch habe ich keine Entschließung darüber genommen. Kommen Sie doch zu uns und helffen mir eine gute Einrichtung machen.
Die Gesellschaft in deren Gegenwart ich schreibe vermehrt sich von einem Augenblik zum andern. Ich muß alles, was ich Ihnen schreiben wollte auf eine ruhige Stunde verspahren, oder vielleicht gar auf die nächste Unterredung. Der Hr. Schultheiß, Hr. Pr. Heß, Ehrhard, Künzli p. grüßen Sie alle. Meine Empfehlung an den Protector der Neüen Profeten. Adieu. Morgen gehe ich nur für 2 Tage nach Husen.
Sulzer.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.
Herrn Profeßor Bodmer in Zürich
Siegel.