Brief vom 28. März 1752, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: 28. März 1752

d. 28 Merz. 1752

Mein Wehrtester Herr und Freund.

Das Körbgen ist seit acht tagen gemacht. Wie es aber gerathen, kann ich izo noch nicht sagen, weil mir der Kopf von der Arbeit noch zu warm ist, als daß ich mit der erfoderten uneingenommenen Gleichgültigkeit urtheilen könnte. Ich rufe darum meine geschiktesten Freunde an, daß Sie durch ihre geschikten Erinnerungen helfen sollen mich in diese unumfangene Gemüthsfassung zu setzen. Sie sollen mir die Gerechtigkeit widerfahren lassen zu glauben, daß ich die wahrheit für das schönste ding in der Welt halte, daß ich sie erkennen kann, wenn sie mir gleich meine mängel und schwachheiten zeiget, daß ich die dummheit seine offenbare fehler nicht einzusehen, und die hartnäckichte Zärtlichkeit die sie immer entschuldiget, vor schimpflicher halte, als das aufrichtige geständniß derselben. Bey dem Lichte, das die geschikte und nachdrükliche beurtheilung vor mir verbreitet, kann ich ja noch manchen fehler verbessern. Als Hr. Stokhausen mir gesagt, daß ich nur keinen Noah mehr schreiben sollte, war die schuld sein, daß ich ihm nicht gefolget habe, weil es seiner Erinnerung an geschiklichkeit und nachdruk fehlete. Sie mein freund werden bald sehen, daß ich Ihre guten Erinnerungen wol genuzet und dadurch dem Gedicht ein Ansehen gegeben habe, welches es zuvor nicht hatte. Hr. Pastor Heß hat mir durch seine Anmerkungen auch treffliche dienste gethan. Er war bey dem Empfängniß meiner Geburten gleichsam gegenwärtig, und er sahe sie noch in ihrer Embryonengestalt. Er hat sich die Mühe gegeben, die der Cardinal Gonzaga sich mit Tassos Gedicht gegeben hat, er hat mein Werk zweymal ins reine geschrieben.

Ich habe Hn. professor Gellert, Hn. Rabener, Hn. Hagedorn und Hn. Gleim den Noah und die Rachel gesandt, weil ich die Freundschaft dieser Hhn gern unterhalten wollte, und weil ich das beste vertrauen zu ihrer geschikten und gründlichen beurtheilung habe; wenn es ihnen nur nicht an offenherzigkeit fehlet. Ich habe mir alle mühe gegeben sie freymüthig zu machen. Für Sie mein Wehrtester, habe ich 4 Noah und drey Rachel, mit andern sachen, in einem pak geschikt. Ich bitte von jedem werk ein stük Hn Sak und eines Hn von Kleist zu geben, nebst meiner gehorsamen Empfehlung. Ich bekenne daß es mir wehe thun würde, wenn Hr. Sak nichts für seinen geschmak in den beiden gedichten finden würde. Wenn sie Ramlern ein stük geben wollen, so mögen sie, ich will es ihnen nach disem vergüten. Ich habe keine hoffnung, daß ich es demselben recht gemacht habe, und bin noch nicht überzeuget, daß man sich grosse mühe geben müsse, es nach seinem großkleinen geschmak zu machen. Wenn sich defecte geben, so schreiben sie an Hn. Gellert, daß er solche von Blochberger fodre der sie dann von Geßners und Orells Exemplaren nehmen kann. Ich erwarte, daß Sie mir durch Hn Heß, wenn er seine Heimreise antreten wird, umständliche urtheile von m. Gedichten schreiben werden. Sie werden dann auch die Blätter vom Parcifall und die andern, die nicht in die berlinischen nachrichten gekommen sind, nicht vergessen. Sie mögen die Abschrift von dem ersten aufsatze des Noah wol behalten, bis sie selbige gebraucht, dann aber könnten sie solche, ohne sie zurüke zu schiken, abolieren.

Ich schike Ihnen die Seligmachung Abadonas in Mscpt. Es wird nichts schaden daß Hr. Sak sie sehe. Izo bin ich mit überarbeitung des sclaven Josephs und der Zulika beschäftiget. Wieviel besser müste dises gedicht werden, wenn ich Sie, m. freund, bey seinem Empfängniß zum Gehülfen hätte! Wollen sie mir erlauben, daß ich an einer bequemen stelle folgende Verse eintrage:

Und vornehmlich Melissen, die in die Auen des lebens
Kürzlich kam und Theoclens gemüth Empfindungen lehrte,
Die nur das wolbeschaffene Herz des vaters empfindet.
Eile mit wachsen o schönes kind, der Abdruk der Mutter,
Eile mit wachsen zur weisheit des vaters, zur liebe der mutter,
Eile noch mehr, damit du noch den bey den lebenden findest, NB
Dem dein vater sein Herz gegeben, den deine Mutter
Niemals noch sah, doch liebt; wie könnte sie den nicht auch lieben,
Den ihr Geliebter liebt, und in zärtlichen stunden ihr nennet;
Den sie beyde dir nennen, und auch dein Herz zu ihm neigen.
Oder wofern sein Geist zu lieblosen Chören entflohn ist,
Ehe du kömmst, und du dann den Todtenhügel nur findest,
O so streu auf sein prachtloses Grab neuentfaltete Rosen;
Wenn dann jemand dich um den fragt, den du da beweinest,
So antworte: der sein Gebein hier niedergelegt hat,
War ein anmuthiger Dichter, er sang am schönsten die Unschuld,
Sein gesang war ein blühender Lenz des schuldlosen Herzens.
Das sey der lohn für meinen Gesang; den lohn zu [→] erwarten
Hör ich nicht auf zu singen, wiewol ich viel schon gesungen.

Ich bitte ihre gedanken über das physicalisch Falsche in dem Verse den ich mit NB gezeichnet habe. Ihre worte sind nicht auf die Erde gefallen, daß sie ein Recht bekommen könnten sich um den physicalischen profeßorat, wo nicht Canonicat, hier zu bewerben. Izt hat der Hr. Can. Geß. sich wieder erholet; Aber seine Gesundheit hängt an einem dünnen faden. Dr. Hirzel briguirt auf die succession – diser Mensch siehet mich nur noch alle drey monate, die gelache wo man trinkt, und türlüpinirt haben ihn mir genommen. Er klagt schon daß Hr. von Kleist ihn keiner Antworten würdige.

Ich habe im Februar einen Brief von K. empfangen, darinnen stehet: Ich habe mich erst izt entschliessen können, ihnen noch etwas zu sagen, das mein Herz sehr nahe angeht, und wovon ich glaube daß es ihnen auch nicht gleichgültig ist. Es betrift diejenige Zeit die wir ohne einander zugebracht. Es scheint mir daß es in vilen Absichten gut und uns auch nicht sogar unangenehm seyn könnte, wenn wir uns wegen unserer gehabten Zwistigkeiten, völlig gegeneinander erklärten. Denn sonst befürchte ich, und nebst andern ursachen machen es auch einige neuere historische Umstände, daß ich es fürchte, daß unsrer Aussöhnung ungeachtet (von welcher ich glaube daß sie an ihrer seite eben so aufrichtig gewesen ist, als sie an meiner war, gleichwol noch immer etwas zurükgeblieben seyn könne, das uns hindern dürfte auf die alte art gegen einander gesinnet zu seyn. Die Sache ist sehr delicat, ich gestehe es; wir dürfen der Gerechtigkeit und Wahrheit nichts vergeben, und müsten uns doch freundschaftlich gegen einander erklären! Wenn sie sich dazu entschliessen, so wünschte ich von ihnen zu erfahren, auf welche weise sie meinen, daß wir es thun. Es ist was sehr sonderbares, zween Kläger und eben dise Kläger auch Richter. Unterdessen muß ich ihnen sagen welche Oberrichter ich mir erwählt habe, deren Ausspruch ich mich unterwerfen werde. Billigkeit, viel Neigung in Umständen, die nicht wesentlich sind, nachzugeben; eine gewisse Hoheit, wenn ich es sagen darf, die unfähig ist, von jemand, der etwas wider mich hat, klein zu denken, weil er etwas wider mich hat. Das ist meine Gesinnung, und das ist sie vom anfange unserer Zwistigkeit gewesen. So traurig dise Erklärungen überhaupt für mich sind, so haben sie doch auch eine schöne Seite. Lassen Sie unsern ganzen Streit seyn: Wer am großmüthigsten gegen den andern gewesen ist? Sehen Sie eine neue art περί στεφάνου zu streiten. Ich empfehle mich der frau professorinn. –

Ich antworte ihm kurz: Ich finde nicht nöthig uns in neue Untersuchungen einzulassen, da Hr. Breitinger keine betrachtung übrig gelassen, welche die Natur der Zwistigkeit nöthig gemacht hatte. Wir handelten klüger, wenn wir das andenken diser sache unterdrükten, als daß wir es ⟨erfrischeten⟩. Die schönste großmuth sey, daß wir einander die traurigen tage unsers streites mit allen gefälligkeiten ersezeten die das redliche, sittsame, Herz uns lehren werde, ohne daß wir der Wahrheit etwas vergeben müsten. In diser gemüthsfaßung verweigre ich mein Ohr und Herz allen Gerüchten. – –

Was halten sie mein Freund von dem seltsamen vortrage dieses fanatischen, hochmüthigen, Jünglings? Hr. Künzli würde sagen: Dieser Poet machet es mit der Freundschaft wie die AfterHeiligen mit der Religion; beyder Freundschaft und Gottseligkeit ist, wie ihr leben, ein Geschwatze. ... ist die Imagination selber im Fleisch ein teufel und ein Engel, aber keins würklich. Und so ist er auch ein Freund, und so ein Feind. Also sagte Künzli.

Er gedenkt des Noah mit keinem worte, er verspricht mir auf Ostern etliche stüke vom Weltgerichte, an welchem er izt arbeitet. Er hatte mir seine fünf Gesänge der Messiade nicht geschikt, die er doch dem alten Rahn geschikt. Ich schike ihm den Noah hingegen nicht, weil ich mich versichert halte, daß er ihn mit grosser verachtung ansiehet. Wir vermuthen man habe ihm von hier etwas von dem Briefe geschrieben, der Blatt 24 im Crito stehet, und er selbst sey der verfasser der tibullischen Elegie. Wenn das ist, und er beklagt sich darüber, so muß ich ihm kurz antworten: Ich hätte ihn nimmermehr in den Verdacht nehmen können, daß er die Elegie geschrieben hätte; und da er sich dazu bekennete, so bedauerte ich es herzlich.

Wieland ersezet mir ... Verlust. Er ist so original als ... aber er ist ein ganz ander original. ... ist ein grosser poetischer Träumer, ein jüngling der nach süssen Empfindungen und Einbildungen handelt. Ist Wieland ein Träumer, so ist er ein philosophischer, wie die tiefsinnigsten Nachforscher der weisheit eine Zeitlang gewesen sind; im übrigen ganz offenherzig, der tugend getreu, zur Erstaunung belesen. Er hat zwar auch etwas von einer Art jugendlicher Enthusiasterey, die der ...ischen nicht sehr unähnlich scheint, die ich aber schon ziemlich corrigiert habe. Er ist auf keiner Universität gewesen; sondern hat zu Klosterberge bey Braunschweig ein paar jahre studirt. Er hat keinen von K. Bekannten gesehen, und weiß von disem nichts als was wir ihm sagen. Er hält ihn für den, für welchen ihn jedermann hält, der seinen Charakter aus der Messiade nimmt. Aber er hat eine ungemeine Begierde nach Zürich zu kommen und ich hüte mich mit der höchsten sorgfalt ihn zu mir zu laden. Die ehmaligen Verführer K... sind zwar an dem priori geheilet, den Zweiten Klopst. auch zu besizen; aber ich fürchte mich ihn kommen zu lassen weil es nicht anders seyn könnte, als daß er hier die ganze geschichte ... mit den kleinsten umständen müste innen werden, und ich selbst würde mich genöthiget sehen, ihn zum Vertrauten aller meiner Geheimnisse mit ... zu machen, meine Rechtfertigung würde dieses nothwendig machen. In einer andern Betrachtung wäre es Wielanden zu seinem künftigen verhalten überaus nüzlich, daß er von allen diesen Sachen eine genaue Wissenschaft bekäme. Wenn er ohne dise unter die Braunschweiger fällt, so steht sein jugendliches herz in grosser gefahr eine Mißbildung zu bekommen. Also bin ich sehr im Zweifel. Vielleicht kömmt er disen sommer unberufen. Er hat schon wieder etwas publicirt, und er ist schier zu eilfertig mit publicieren. Es sind 12 moralische briefe, socratisch, platonisch, stoisch, und noch mehr poetisch; ein wenig zu universal und zu unbestimmt. Vor disen briefen ist eine Klopstokische Ode, und ich bin unverdient der Held diser Ode. Sie schließt wie Klopst. ode an mich. Von seinem Hermann werden sie etwas in dem Artikel der Freymüthigen Nachrichten, die ich übersende, lesen, nemlich in dem, wo Schönaichs Hermann recensirt wird.

Sobald izt Wieland den Noah gelesen hat, und mir sagt, wie er ihn finde, so werde ich seine Begrife vom epischen Gedichte lernen, und dann werde ich mich seines Hermans halber mit der nöthigen deutlichkeit gegen ihn erklären können. Er hat noch nöthig in gewissen theilen überarbeitet zu werden. Dafür muß ich sorgen. Ich halte mich überhaupt vor Verbunden für Wielands Herz so wol und noch mehr als für seinen Geschmak zu sorgen. Vielleicht will es die Vorsehung so haben, daß ich an Wieland vollführe, was mir an – – mißlungen ist.

Ich will Hn. Künzli bereden, daß er einen Brief an die angehenden dichter schreibt; er ist schon ziemlich in der Fassung, in welcher er zu dergleichen arbeit seyn muß. Die Ode auf den Tod der Dähnischen Königinn war sehr leicht, nachdem man seine mythologie angenommen hatte. Die schmeicheleyen sind weitergetrieben, als der poet vor wenigen jahren im Sinn hatte. Die angefangene Übersezung der Ilias ist noch nicht hier. Ich hätte lieber gehabt, daß man den Anfang mit der Odyssee gemacht hätte, die in ihrer Art dem Noah ähnlicher ist, und den Geschmak für ihn vorbereitet hätte. Ohne Zweifel ist die Übersetzung in Hexametern. Ich hätte dem Unternehmer mehr als eine gute Erinnerung geben können. Ich werde mich immer hüten den Noah geradezu zu entschuldigen, aber ich werde seine Fehler im Homer und Virgil und Milton vertheidigen so oft es angehet. Darum wünschte ich eine Übersezung der Odyssee. Ein Basler hat Miltons paradise regaind sehr elend übersezt; nahmens Grynäus.

Bitte Hrn. Heß zu sagen, daß er Hr. Rabner und Herr Gellert in Leipzig meinetwegen die aufwart mache.

Sie haben mir lange nichts mehr von pastor Lange geschrieben. Dichtet er gerade izo horazische oden oder porceläne? Wir vermuthen hier professor Meyer schäme sich übel, daß er bey dem lehrgedichte von der Natur der Dinge, dem Werke eines Jünglings, der noch nicht auf der Universität gewesen war, Hebammestelle vertreten hat. Wieland hat sich ihm erst disen Winter entdeket; Meyer aber hat ihn bisher keiner antwort gewürdiget. Ich möchte sehr gerne wissen, wie doch Mle. Schmidinn izo mit Klopstoken steht. Können sie dises nicht durch einen dritten von dem Bruder vernehmen? Oder durch Gleimen? Wenn sie diesen einmal sähen, so könnte er ihnen gewiß viel neues von Kl... und den braunschweigischen Eberten, Gärtnern – sagen. Sie müssen ihn zu dem Ende gutherzig machen. Ich hoffe, der brief, den ich ihm mit dem Noah geschriben habe, werde ihn ganz gefällig gegen mich machen. Ich sandte ihm auch die Rachel.

Ich hatte gehoffet daß ich Ihnen mein portrait en ombre schiken könnte, aber ich habe nur noch das probestüke. Es ist nicht gar kenntlich; aber schön gearbeitet.

Wenn es seyn kann daß der Wakere Hr. Kleinmann sich mit einer Rahel beladen kann, so will ich ihm eine auch geben, weil sie solche zum wenigsten 14. tage früher so bekommen, als das Pak mit den Noah. Rachel mag ihnen denn einen vorschmak vom Noah geben.

Ich hätte schier im XI. Gesange des Noah, nach dem 391sten Verse folgende Zeilen eingerüket, wenn es mich nicht zu hochmüthig bedünket hätte:

Indem ließ sich ein paar von einer treufelnden Myrrhe
Zu mir hernieder, und flatert um mich sanftzischelnd. Mein Führer
Rief mir: O laß die beiden nicht unbemerket; der eine
Mit dem Ernst in den Augen wird deines Vaters Errettung,
Seine Flucht durch die ungebähnete Wüste der Wellen,
Späten Weltaltern erzählen, die wenig davon sich erinnern.
Ihn wird die Muse sie lehren, die auf Elihu herabkam,
Und in die Arch' euch folgt', euch die Dankgesänge zu lehren.
Was ihm die Muse des Nachts wird lehren, die grossen gedanken
Siphas und Noahs, die Frucht des umgangs mit Gott und dem Himmel,
Sagt er frühe dem andern, der ihn ungebohren schon liebet,
Und überdenkt sie mit ihm, dem Sipha seines weltalters,
Und erstaunet, wie sie zu seinen im Gleichlaut gestimmt sind.

Ich verbiete Ihnen nicht, daß sie nicht dise Zeilen an den orten zeigen, wo sie es gut finden. Ich war genöthiget den Noah mit deutschen buchstaben setzen zu lassen, weil Geßner keine lateinischen schönen hatte. Hr. Orell hatte keine gelegenheit, wegen andrer arbeiten das werk bis ostern zu fertigen. Und mit Heidegger wollte ich nicht gern etwas zu thun bekommen. Bey einer folgenden auflage muß man gewiß lateinische buchstaben nehmen.

Ich habe einen Einfall. Ich wollte gern, daß Sie beygelegten Hymne Weidmann in Leipzig sendeten, daß er ihn mit der unerläßlichen bedingung drukete, mit lateinischen litern, und dass allemal ein vers auf die zeile kæme. ä mit æ, ö mit œ, ü mit y. Wollte er mir darüber ein duzend Exemplare und etliche für Ew. geben, so wäre es gut. Bey diser gelegenheit wünschte, daß sie ihm zugleich sagten. Ich hätte Geßner nur diese erste Auflage vom Noah abgetreten. Er hätte nur 800. stüke abgedrukt. Ich würde gern die zweite Edition bey ihm ausfertigen lassen. Bey der ersten hätte ich gegenwärtig seyn müssen. Ich verlangete für dise zweite Edition nichts weiter, als daß er mir folgende werke in lediglich leichten preisen abnähme:

Breitingers Dichtkunst. 2 theile.
von Gleichnissen.
Bodmer vom Wunderbaren in Miltons paradiese.
Abhandlung von poetischen Gemählden.
Sammlung Critischer Poetischer und andrer geistreichen schriften.

Von jedem habe etwan 150–180. Hr. Orell hat kein stük mehr der Sammlung critischer schriften. Und weil mir die proprietät diser werke als manuscripte betrachtet, zugehört, so könnte ich sie für eine künftige Edition cediren. Also könnte ich auch eine Übersezung des verlohrnen paradis cediren, wenn man mir dafür einige douceurs gäbe, welches völlig aufgegangen ist.

Die Weihmannische Buchhandlung wird izo von einem wakern Mann nahmens Reich geführt, und dises macht mir Hoffnung daß ihm mein antrag gefallen möchte. Wofern er ihm gefiele, so könnte er darüber mir selber zuschreiben. Weidmann könnte darauf zählen, daß die zweite Edition vom Noah ansehnliche verbesserungen und kleine Zusätze bekommen würde. Den Verfasser des Hymni dürfen sie ihm eben nicht bekennen. Meine Absicht ist damit, daß Weydmann den deutschen Buchhändlern mit einem guten Exempel, in ansehen der lateinischen litern bey deutschen werken, vorgehen sollte. Ich habe durch Hn. von Hagedorn auch Bohn in Hamburg bereden lassen, dise verwegene Neuerung zu begehen.

Hr. Orell hat auch den Jacob und Joseph bis an 50. stüke aufgebraucht, ich habe ihn stark überarbeitet, und wollte ihn gerne zu einer neuen auflage Weidmanne geben, wenn ich mit ihm wegen obiger Verlagsbücher handeln könnte.

Ich werde bald gereizt Sie auf ihrem neuen Landhaus mitten in Berlin, zwischen königlichen palästen zu besuchen. Worum schiken sie uns nicht den Riß von ihrem gebäude? Sie werden wol schon wissen, daß Hr. Examinator Heidegger Rathshr. von der freyen wahl geworden ist. Die freunde von Winterthur werden mit hiesigen dise freude künftigen Sommer in Winterthur celebrieren. Kl. gedenkt Hn Rathshr. Heideggers in seinem briefe. Es sey ihm angenehm gewesen, daß er in unsren Zeiten lebt, und er ihn gesehen habe, aber er gehöre den ältern Zeiten unserer Republik an. Ich hatte es ihm in seiner Anwesenheit hier nicht sonderlich angemerket.

Izt bin ich ein paar stunden im gemüthe bey ihnen gewesen; wenn sie es gewesen sind, der dise Tage in meinen bäumen gerauschet haben, so hätten sie nicht so ungestüm brausen dürfen. Ich bitte der Fr. professorinn meine Empfehlung und bleibe von allen Kräften meiner seele Ihr beyder

Ihr gehors. Ergebenster Fr. u. Dr. B...r

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.

Eigenhändige Korrekturen

ich mit der
ich es mit der
welches es zuvor
welches ⌈es⌉ zuvor
erwarten Hör ich
erwarten Hab Hör ich
so wünschte ich
so bitte ich wünschte ich
Freund von dem
Freund zu von dem
vor wenigen jahren
vor wenigen H jahren
Übersezung der Odyssee
Übersezung der Ilia Odyssee
Gesange des Noah
Gesange vondes⌉ Noah
weil mir die proprietät
weil mir der |die| Verlag proprietät
werke als manuscripte betrachtet, zugehört
werkeals manuscripte betrachtet↑, zugehört

Stellenkommentar

Hr. Stokhausen mir gesagt
Vgl. J. C. Stockhausen, Sammlung vermischter Briefe, 1752, 1. Brief: »Der Verfasser des Noah ist ein großer Kenner und Kunstrichter des Geschmacks: Jahrbücher und Critiken sollte er schreiben; nur keinen Noah mehr.« (S. 33).
den Noah und die Rachel gesandt
Vgl. Bodmers Brief an Gleim vom 23. März 1752 (Körte (Hrsg.) Briefe der Schweizer 1804, S. 170–173) und die Briefe von Rabener vom 30. April 1752 (ZB, Ms Bodmer 4b.13), F. v. Hagedorn vom 5. April 1752 (Hagedorn Briefe 1997, Bd. 1, S. 332) und von Gellert vom 18. April 1752 (Gellert Briefwechsel , Bd. 1, S. 118).
Blochberger
Der Leipziger Verleger Michael Blochberger.
folgende Verse
Die Verse auf Sulzers Tochter Henriette Wilhelmina, die Bodmer hier Melisse nennt, finden sich in Joseph und Zulika, 1753, S. 6.
briguirt
Von Frz. »briguer«: sich um die Nachfolge bewerben oder Anwartschaft auf die Nachfolge anmelden.
türlüpinirt
Hier: witzeln, sich keine Ruhe lassen.
Brief von K.
Vgl. Klopstock an Bodmer, Kopenhagen, 5. Februar 1752 (ZB, Ms Bodmer 3.10). Abgedr. in: Klopstock Briefe 1985, Bd. 2, S. 130–133.
περί στεφάνου
Griech. Redewendung: »Peri tou tes elaias stephanou.« Übers.: »Um den Kranz aus Ölbaumzweigen.«
Blatt 24 im Crito
Wer Klopstock über die Kritik informierte, konnte nicht ermittelt werden. Vermutlich gelangte die Kritik über Johann Christoph Schmidt und Gleim an ihn. Vgl. Klopstock Briefe 1985, Bd. 2, S. 403.
Klosterberge bey Braunschweig
Bodmer nahm hier irrtümlich an, dass die bedeutende, nahe der Stadt Magdeburg gelegene Klosterschule von Kloster Berge in der Nähe von Braunschweig liegt. Vgl. dazu Brief letter-sb-1752-05-05.html.
Schönaichs Hermann recensirt
Vgl. Freymüthige Nachrichten, 15. Dezember 1751, St. 50, S. 396–400 (darin Wielands Text S. 398 f.).
– –
Klopstock.
der brief
Bodmer an Gleim, Zürich, 25. März 1752 (GhH, Hs. A 310). Abgedr.: in W. Körte, Briefe der Schweizer, 1804, S. 170–173.
deutschen buchstaben
Vgl. zum Schriftenstreit im 18. Jahrhundert: Killius Antiqua-Fraktur-Debatte 1999.
beygelegten Hymne
Wielands zunächst anonym und über Sulzers Vermittlung bei Weidmanns Erben und Reich gedruckte Hymne.
cediren
Abtreten, übereignen.
douceurs
Übers.: »Süßigkeiten«. Hier im Sinne von Zuwendungen.
Weihmannische Buchhandlung
Verschreibung Bodmers, gemeint ist »Weidmannische Buchhandlung«.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann